Von Sinnen
Wahrnehmung in der zeitgenössischen Kunst
14. Juli bis 21. Oktober 2012
Wie riecht, schmeckt, hört und fühlt sich Kunst an? Die etablierten Verhaltensregeln für den Besuch von Ausstellungsräumen zumal von musealen, sind zunächst einmal auf das Schauen und inzwischen auch auf das Hören, nicht jedoch auf das Riechen, Schmecken und taktile Fühlen ausgerichtet.
Die zum Teil raumgreifenden Werke der Sonderausstellung der Kunsthalle standen alle im Kontext der künstlerischen Auseinandersetzung mit den Sinnen und machten diese erlebbar. Die Schau widmete sich den Fragen, welche Rolle unsere körperlichen Navigationssysteme in der Gegenwartskunst spielen, inwiefern die sinnliche Erfahrung einen eigenen künstlerischen Wert darstellt und diese über ein bloß hedonistisches Erleben hinausgeht. Auch der sechste Sinn, die unterbewusste Wahrnehmung und die 12 Sinne in der anthroposophischen Lehre wurden thematisiert.
Die spektakuläre Installation von Erik Kessels setzte auf visuelle Überwältigung. Kessels hatte rund 1 Mio. öffentlich zugängliche Bilder von der Internetplattform flickr heruntergeladen und hunderttausende davon förmlich in den Ausstellungsraum geschüttet. Der Besucher watete durch ganze Berge von Fotoabzügen. Der Künstler stellt in 24 hrs in photos das heutige Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit aus und machte die Bilderflut der Gegenwart buchstäblich begreifbar. Heribert Friedl malte eine Geruchsinstallation auf die Wand, die nur wenig zu sehen, dafür umso deutlicher zu riechen war. Forest (Klein Elmeloo) bezog sich olfaktorisch auf den einstmals begrünten Ort, auf dem heute die Kunsthalle steht. Sonja Alhäusers eigens für die Kunsthalle entworfene Installation „Ausschnitt“ bestand aus verzehrbaren, süßen Nahrungsmitteln wie Marzipan und Schokolade. Die Künstlerin führte die Besucher*in in Versuchung, das künstlerisch gesetzte Werk durch dessen direkte und wortwörtliche Einverleibung nach und nach zu zerstören. Auch Via Lewandowsky stellte keine übliche museale Situation her: In einem leeren Raum war lediglich das Summen einer Fliege zu hören. Die rein akustisch wahrnehmbare Bewegung im Raum warf den Betrachter auf seine Vorstellungskraft zurück. Unterhaltungsfaktor, Aktion und Zurschaustellung - Vadim Fishkin adressiert in seiner Installation Snow_Show das Publikum sehr direkt.
Neben diesen raumgreifenden Installationen präsentierte die Ausstellung Tafelbilder, Objekte und Videoinstallationen – unter anderem von Carsten Nicolai, Tim Eitel, Louise Bourgeois und Bill Viola. Sämtliche Werke der Ausstellung ermöglichten sowohl einen sinnlichen wie auch intellektuellen Zugang. Denn mit jedem Sinn, der direkt adressiert wurde, entstand ein Assoziationsraum, der weitere Sinne miteinschloss.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.